Ein Beispiel zur Erläuterung der Sättigungsvorgänge

Anhand des nachfolgenden, mit dem Programm TAUSIM gerechneten, TG-Profils sollen kurz die Sättigungsvorgänge erläutert werden.


Zu Beginn des Tauchgangs sind alle Gewebe bezogen auf den Druck von 1 bar auf Meereshöhe gesättigt. Dies zeigen die violetten Balken an, die für alle Gewebe einen Wert von 100 Prozent aufweisen. Die roten Balken geben die Sättigung bezogen auf den maximal tolerierten Überdruck an. Es ist ersichtlich, daß die schnellen Gewebe eine wesentlich höhere Toleranzgrenze als die langsamen Gewebe (mit größerer Halbwertszeit) aufweisen. Das langsamste Gewebe ist zu Beginn das Führungsgewebe, was an der roten 16 zu erkennen ist.

Beginn des TGs


Nun wird gleichmäßig innerhalb von 5 Minuten auf eine Tiefe von 20 m abgetaucht. Die Gewebe (auch die schnellen nicht) können nicht so rasch mit Inertgas gesättigt werden, wie der Umgebungsdruck zunimmt.

Abtauchen innerhalb von 5 Minuten auf 20 m Tiefe


Wird nun auf der Tiefe verweilt, beginnen sich die einzelnen Gewebe aufzusättigen. Gut zu erkennen ist, daß dieser Vorgang bei den schnellen Geweben viel rascher vonstatten geht als bei den langsamen, bei denen zum vorigen Bild praktisch kein Unterschied festzustellen ist.

10 Minuten auf 20 m Tiefe


Nach 20 Minuten auf der Tiefe von 20 m hat sich das schnellste Gewebe praktisch entsprechend des Umgebungsdruckes gesättigt (violetter Balken nahezu bei 100 Prozent). Bei den Geweben mit sehr großer Halbwertszeit hat sich immer noch kaum etwas getan. Noch immer ist Gewebe Nr. 16 das Führungsgewebe.

20 Minuten auf 20 m Tiefe


Wird nun innerhalb von 2 Minuten auf 10 m Tiefe aufgetaucht, so sind die schnellsten vier Gewebe bereits übersättigt. Die violetten Balken überschreiten für diese Gewebe die 100 Prozent-Marke, was TAUSIM mit gelb markiert. Diese gelbe Fortführung der Balken nach oben ist nicht mehr Verhältnis-getreu. Diese vier Gewebe entsättigen sich bereits wieder. Die anderen Gewebe sättigen sich noch weiter auf. Führungsgewebe ist jetzt das drittschnellste Gewebe.

Aufstieg innerhalb 2 Minuten auf 10 m Tiefe


Ende des TGs nach 30 Minuten und einer Auftauchzeit von 5 Minuten aus 20 m Tiefe. Alle Gewebe sind bezüglich des Drucks an der Oberfläche übersättigt (das Maß der Übersättigung geht aus der Grafik nicht hervor !). Für die Gewebe 3 und 4 erreicht der tolerierte Inertgasüberdruck maximale Werte. Bei Erreichen der Oberfläche ist Gewebe Nr. 3 das Führungsgewebe (nicht mehr gekennzeichnet).

Für diesen TG wird eine Entsättigungszeit von 30 Stunden und 45 Minuten berechnet. Die "98.5" bedeuten, daß eine 98,5 prozentige Entsättigung berechnet wurde, wie es bei Tauchcomputern der Fall ist. (Eine 100 prozentige Entsättigung dauert - bedingt durch die mathematische Natur der Sättigungsgleichung - unendlich lange. Die restlichen 1,5 Prozent zu einer 100 prozentigen Entsättigung sind praktisch bedeutungslos und entsprechen ungefähr den Luftdruckunterschieden bei einem Wechsel von einer Hochdruck- zu einer Tiefdruck-Wetterlage.)

Die Flugverbotszeit beläuft sich auf 24 Stunden und 50 Minuten, berechnet für einen Referenzdruck entsprechend einer Höhe von 4200 m. Maßgebend ist Gewebe Nr. 12. Die Gewebe mit größeren Halbwertszeiten (Nr. 13 bis Nr. 16) können nicht berücksichtigt werden, da hierbei ein negatives Argument für den Logarithmus auftaucht, was nicht erlaubt ist.

Ende des TGs


Hier werden noch einmal die Sättigungsdaten dieses TGs zusammengefaßt :

Kompartiment t1/2 N2 [min] FVZ 4800m FVZ 4200m FVZ 2000m Sätt. in % bezogen auf 0m Sätt. in % des max. tol. Wert
1 4,0 0:00 0:00 0:00 260 60
2 8,0 0:06 0:05 0:01 264 78
3 12,5 0:14 0:12 0:05 246 82
4 18,5 0:24 0:21 0:09 222 79
5 27,0 0:43 0:36 0:14 197 77
6 38,3 1:20 1:06 0:22 176 74
7 54,3 2:14 1:44 0:25 157 70
8 77,0 3:39 2:37 0:15 143 66
9 109,0 5:54 3:46 0:00 131 64
10 146,0 11:10 5:54 0:00 124 63
11 187,0 --- 9:48 0:00 119 62
12 239,0 --- 24:50 0:00 115 62
13 305,0 --- --- 0:00 112 62
14 390,0 --- --- 0:00 109 62
15 498,0 --- --- 0:00 107 62
16 635,0 --- --- 0:00 106 62
Berechnete Flugverbotszeiten für Drücke entsprechend drei verschiedenen Höhen sowie Sättigungsdaten in Prozent bezogen auf den Druck an der Oberfläche und den maximal tolerierten Wert. Die Spaltenmaxima sind fett hervorgehoben. "---" : Wert konnte nicht berechnet werden (negatives Argument für den Logarithmus).

Es fällt zunächst auf, daß die für einen Druck entsprechend einer Höhe von 4200 Metern berechnete Flugverbotszeit viel länger ist als diejenige für 4800 Meter - denn diese sollte eigentlich länger als erstere sein, da hierbei eine größere Sicherheitsmarge berücksichtigt ist (wenn man die Werte für jeweils ein Kompartiment vergleicht, sind diejenigen für 4800 m immer größer). Entscheidend ist aber, daß bei 4800 m nur die ersten 10 Kompartimente in Betracht gezogen werden können, während bei 4200 m zwei Gewebe mehr berücksichtigt werden können. Wenn alle Kompartimente für die Berechnung zur Verfügung stünden (oder ein anderer Algorithmus zur Berechnung angewendet würde :-) ), würde die Flugverbotszeit noch länger ausfallen.

Interessant ist weiter, daß die Flugverbotszeit für 2000m Höhe wesentlich kürzer ist - und daß, obwohl alle Gewebe berücksichtigt werden können ! - als die beiden anderen Flugverbotszeiten. Hier ist auch nicht das langsamste Gewebe bestimmend, sondern Kompartiment Nr. 7, eines der mittelschnellen. Ausschlaggebend ist in diesem Fall, daß sich die schnellen Gewebe schon wieder soweit entsättigt haben, daß die Flugverbotszeit für sie nur so kurz ist und andererseits, daß sich die ganz langsamen Gewebe während des TGs kaum soweit aufgesättigt haben, daß sie bei einem Druckabfall auf einen Druck entsprechend 2000 m Höhe eine Rolle spielen würden.

Betrachtet man nun die vorletzte Spalte der Tabelle (Sättigung der Gewebe bezogen auf den Druck an der Oberfläche), sieht man, daß die schnellen Kompartimente im Moment des Erreichens der Oberfläche mehr als dem doppelten Druck ausgesetzt sind, während bei den ganz langsamen Geweben der Druck nur schwach gegenüber dem Umgebungsdruck erhöht ist. Obwohl das zweitschnellste Kompartiment mit 264 Prozent dem höchsten Überdruck ausgesetzt ist, ist Gewebe Nr. 3 das Leitgewebe, das 82 Prozent des maximal tolererierten Druckes erreicht.

Obwohl bei diesem Beispiel-TG beim Aufstieg die zulässige Geschwindigkeit nicht überschritten wurde und auch zu keiner Zeit eine Dekompression erforderlich war, empfiehlt es sich immer auf einer Tiefe von 3 m einen Sicherheitsstopp von ein paar Minuten einzulegen und erst danach ganz zur Oberfläche aufzusteigen.


Wie wäre das obige Beispiel bei Verwendung von Nitrox mit einem O2-Gehalt von 40 Vol.-Prozent anstatt von Luft als Atemgas ausgegangen ? Das folgende Bild verdeutlicht die Gewebesättigung für dasselbe TG-Profil mit Nitrox 60/40 als Atemgas. Nun ist das Kompartiment 6 das Führungsgewebe und die roten Balken sind insgesamt deutlich niedriger als bei Verwendung von Luft als Atemgas.

Ende des TGs mit Nitrox 60/40 als Atemgas


Kompartiment t1/2 N2 [min] Flugverbotszeit 4800m Flugverbotszeit 4200m Flugverbotszeit 2000m Sätt. in % bezogen auf 0m Sätt. in % des max. tol. Wert
1 4,0 0:00 0:00 0:00 260 45
2 8,0 0:01 0:00 0:00 264 59
3 12,5 0:05 0:03 0:00 246 62
4 18,5 0:08 0:06 0:00 222 62
5 27,0 0:17 0:13 0:00 197 60
6 38,3 0:34 0:26 0:00 176 59
7 54,3 0:52 0:36 0:00 157 56
8 77,0 1:08 0:41 0:00 143 53
9 109,0 1:15 0:28 0:00 131 50
10 146,0 1:37 0:19 0:00 124 49
11 187,0 2:20 0:14 0:00 119 48
12 239,0 4:30 0:46 0:00 115 47
13 305,0 10:48 2:45 0:00 112 47
14 390,0 60:12 9:07 0:00 109 47
15 498,0 --- 21:12 0:00 107 47
16 635,0 --- --- 0:00 106 47
Berechnete Flugverbotszeiten für Drücke entsprechend drei verschiedenen Höhen sowie Sättigungsdaten in Prozent bezogen auf den Druck an der Oberfläche und den maximal tolerierten Wert bei Verwendung von Nitrox 60/40 als Atemgas. Die Spaltenmaxima sind fett hervorgehoben. "---" : Wert konnte nicht berechnet werden (negatives Argument für den Logarithmus).

Neben der Tatsache, daß die Sättigungswerte weiter unter den maxinmal tolerierten Werten bleiben, fällt auf, daß die Flugverbotszeit für 2000 m fast die gleiche ist wie für Luft als Atemgas, aber daß die VFZ für 4800 m mit etwas über 60 Stunden nun sehr stark angewachsen ist. Wie zu sehen ist, können nun fast alle Gewebe in die Berechnung mit einbezogen werden und daraus resultieren diese Werte.

Tauchcomputer umgehen die Schwierigkeiten mit solchen scheinbar widersprüchlichen Angaben dadurch, daß immer nur die mittelschnellen Kompartimente für die Berechnung der Flugverbotszeit herangezogen werden. So wird gewährleistet, daß die Angaben für die Flugverbotszeit immer konsistent sind. Da die Tauchcomputer ja nicht das Leitgewebe ausgeben (höchstens später am PC), würde man sonst unter Umständen total verwirrt sein und vielleicht an eine Fehlfunktion des Tauchcomputers denken.


Kai Schröder , 22.4.1998